Perfekte Deepfake-Videos, beschränkte Chatbots und das Känguru für #SaveSocial und gegen rechts
Diese Wochenschau dreht sich um einen meiner Lieblingsautoren, um Klaus-Dieter Gling, nein, natürlich Marc-Uwe Kling. Anlass: Ich habe gerade seinen Thriller „Views“ gehört*, der 2024 erschienen ist. Im Buch geht es um ein mutmaßlich KI-generiertes Video, das eine Vergewaltigung zeigt. Das Video geht viral und löst eine Gewaltspirale aus. Die Frau ist eine Deutsche, die Täter werden als migrantische Personen dargestellt, was zu massiver Empörung und gewalttätigen Reaktionen führt.
Was passiert, wenn ein Deepfake-Video eine Gewaltspirale auslöst?
Eine sehr aktuelle Thematik: Einerseits behandelt Kling, wie sich negative, emotionalisierende Nachrichten, gerade auch Falschnachrichten, lawinenartig verbreiten und oft nicht mehr zu stoppen sind. Das gilt insbesondere, wenn es einen migrantischen Hintergrund hat (siehe diesen Bericht der Frankfurter Rundschau). Andererseits geht es um das perfekt gefälschte Video, in dem das „echte“ Gesicht einer Frau verwendet wird, um ein mit einer Video-KI erstelltes Fake-Video zu produzieren. So etwas ist keine Utopie. Beispielsweise wurden tausende pornografische Deepfake-Videos von Prominenten entdeckt. Solche Deepfake-Videos und -Bilder sind ein sehr aktuelles Thema, mit dem Lars und ich uns auch bei #9vor9 beschäftigen werden.
Kling zeigt, wie perfekt gefälschte Inhalte ohne sogenannte Klitsches (Fehler) die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen lassen und wie sie die öffentliche Meinung manipulieren können. Es ist ein harter Roman, in dem Gewalt und Vergewaltigung vorkommen. Es ist auch ein Roman, in dem natürlich auch Fragen über die Verantwortung bei der Nutzung von KI und die Auswirkungen auf die Gesellschaft aufgeworfen werden.
„Wollen die Leute einen Präsidenten wählen oder einen Clown?“
Nachdem ich „Views“ gehört hatte, musste ich an Klings früheres Werk „QualityLand“ denken, und ich beschloss, dass ich das sein 2017 erschienenes Buch jetzt nach einigen Jahren nochmals hören sollte. In „QualityLand“ wird eine Zukunft geschildert, in der Technologie und Algorithmen das menschliche Leben bestimmen. In dieser Welt ist alles optimiert: Arbeit, Freizeit und Beziehungen werden von Systemen wie „QualityPartner“ und „TheShop“ gesteuert. Androiden und Chatbots spielen eine zentrale Rolle.
Und siehe da, natürlich stolpere ich über viele Dinge mit aktuellem Bezug, die in „QualityLand“ geschrieben und gesagt werden. So spricht John of Us, der androide Präsidentschaftskandidat, einen prophetischen Satz aus: „Wollen die Leute einen Präsidenten wählen oder einen Clown?“ Das Buch ist wie erwähnt 2017 heraus gekommen. Donald Trump wurde erstmals am 8. November 2016 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Am 20. Januar 2021 wurde er nach vier Jahren Präsidentschaft von Joe Biden wieder als Präsident vereidigt. Manche Clowns kommen immer wieder.
Chatbots: Noch davon entfernt, menschliche Expertise zu ersetzen
Auch wird in „QualityLand“ menschliche Arbeit und Berufe immer mehr durch Androiden, humanoide Roboter, Chatbots und andere KI-basierte Systeme ersetzt. Im Buch unterhält sich der Protagonist Peter Arbeitsloser, ein Maschinenverschrotter, wegen der Rückgabe eines Produkts mit der Service-Hotline von TheShop Und natürlich scheitert er an den Chatbots, die ans Telefon gehen. Selbst schon einmal erlebt? Und wieder haben wir den so aktuellen Bezug. Elon Musks Initiative „Department of Government Efficiency“ (DOGE) hat begonnen, entlassene Beamte durch Chatbots zu ersetzen, um den größten Stellen- und Bürokratieabbau in der US-Geschichte voranzutreiben.
Der Chatbot GSAi, der an die US-General Services Administration (GSA) verteilt wurde, soll Verwaltungsaufgaben unterstützen, kann jedoch nur begrenzte Aufgaben wie E-Mail-Entwürfe erstellen, Texte zusammenfassen und Programmiercodes generieren und darf (noch?) keine sensiblen Daten verarbeiten. Mitarbeiter sehen den Chatbot als ähnlich nützlich wie einen Praktikanten an, da er vor allem generische Antworten liefert. Noch sind Chatbots weit davon entfernt sind, menschliche Expertise vollständig zu ersetzen. Das mag sich angesichts der technologischen Entwicklung jedoch schnell ändern.
Es wäre spannend, Elon Musk mit dem Känguru sprechen zu lassen, um zu sehen, was dabei rauskommt.
Marc-Uwe Kling zu Gast im Podcast „Deutschland3000“ mit Eva Schulz
Auch über viele andere Dinge, die uns heutzutage beschäftigen, stolpert man beim Lesen oder Hören: autonom fahrende Autos, digitale persönliche Assistenten, The Shop, Ratingsysteme, Drohnen, Haushaltsroboter und vieles mehr. Es gibt einen zweiten Band von „QualityLand“, den ich ebenfalls gehört habe, und Marc-Uwe Kling denkt wohl über einen dritten Teil nach oder arbeitet bereits daran.
Marc-Uwe Kling: Klare Haltung gegen rechts
Ich, wir sind schon sehr lange Fans von Marc-Uwe Kling und haben seine „Känguru“-Bücher viele, viele Male gehört. Noch heute lache ich immer wieder gerne über die Gags, über Witzig- und Nicht-Witzig-Stempel, rote Boxhandschuhe und unterstütze aus vollem Herzen seine klare Haltung gegen die AfD und Nazis.
Marc-Uwe Kling lässt das Känguru gerade wieder aufleben, um zu aktuellen Ereignissen und Personen Stellung zu nehmen. So ist am 3. März das Video Rebellen-Allianz auf YouTube erschienen, indem das Känguru die Bedeutung sogenannter Outlinks erklärt. Das sind Links, die zum Beispiel von Facebook aus auf meinen Blog verlinken.
#SaveSocial – Man hat uns das freie Internet geklaut
Diese „Wegweiser“ von einer Plattform wie Facebook auf andere Webseiten werden bewusst von den großen, eben asozialen Plattformen benachteiligt. Ein prominentes Beispiel ist X, das unter Elon Musks Führung begann, Links zu konkurrierenden sozialen Medien wie Facebook, Instagram und Mastodon zu verbieten. Die Konzerne wollen Nutzerinnen und Nutzer auf ihrer Plattform halten! Doch das Känguru ist halt ein Fan des Rechts auf Links. …
Das Video ist im Zusammenhang mit der Initiative #SaveSocial entstanden, die Marc-Uwe Kling zusammen mit vielen anderen Prominenten unterstützt. Hier findet ihr seine Videobotschaft zu #SaveSocial. Die Initiative hat es sich angesichts des Verhaltens von Elon Musk, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg zur Aufgabe gemacht, das freie Internet zurückzuerobern und eine demokratischere Online-Kommunikation zu fördern. Ich habe hier darüber geschrieben.
Nerdig mit klarer Kante
Ihr merkt: Marc-Uwe Kling ist ein Schriftsteller, der mit heute aktuellen digitalen Themen die Nerd-Blase adressiert. Manche Gags, besonders in „QualityLand“, versteht man nur, wenn man selbst etwas nerdig ist. Er arbeitet viele Missstände unseres digitalen Lebens auf und erkennt diese oft schon sehr frühzeitig in seinen (Hör)Büchern. Und wie erwähnt, zeigt Marc-Uwe Kling klare Kante gegen Rechtsradikale und Nazis.
Doch auch Politikerinnen und Politiker bekommen, wenn er es für angebracht hält, ihr Fett weg. Auf seinem YouTube-Kanal findet ihr Videos zu Herrn Söder oder zu Herrn Merz. Sehenswert. Kann man durchaus abonnieren, den Kanal. Ich weiß, die Jünger des freien Netzes werden natürlich bemängeln, warum Herr Kling denn unbedingt dort seine Videos veröffentlicht. Aber die Leute sollen die Videos schließlich ja auch finden. Und ja, ich weiß …
Auf jeden Fall sind seine Bücher für diejenigen empfehlenswert, die sich gerade jetzt mit unseren digitalen Problemen auseinandersetzen wollen.
P.S. Auf die Verfilmungen der Känguru-Chroniken kann ich allerdings verzichten. Aber die Känguru-Bücher sind ja auch nicht so nerdig.
* Wir sind begeistere Hörbuch-Konsumenten, d.h. viele Bücher werden nicht mehr gelesen und stattdessen gehört. Nicht wundern.